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Wie sind Schüler, Auszubildende und Studenten im Falle der Erwerbsminderung abgesichert?

Die gesetzliche Rentenversicherung zahlt nicht nur Renten an Personen, deren Arbeitsleben abgeschlossen ist, sondern kümmert sich auch um solche Versicherte, die aus gesundheitlichen Gründen ihrer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen können. Die gesetzliche Rentenversicherung zahlt nämlich neben Reha-Leistungen gesundheitlich eingeschränkten Personen – sofern sie die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen – auch eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Die sogenannte Erwerbsminderungsrente.

Doch wie verhält es sich, wenn man bereits als junger Erwachsener – zum Beispiel während seiner Ausbildung oder seines Studiums – einen Unfall erleidet oder schwer erkrankt und infolgedessen nicht mehr arbeiten kann? Bin ich auch dann über die gesetzliche Rentenversicherung abgesichert?

Wer kann eine Erwerbsminderungsrente erhalten?

Um Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu haben, müssen zwei Arten von Voraussetzungen erfüllt sein: Die gesundheitlichen Voraussetzungen und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Gesundheitliche Voraussetzungen

Ob ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente besteht, hängt immer davon ab, wie viele Stunden man aus ärztlicher Sicht noch in der Lage ist pro Tag zu arbeiten. Relevant ist bei dieser Beurteilung jedoch nicht die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Vielmehr wird allgemein geschaut, ob man in irgendeiner Tätigkeit noch mindestens sechs Stunden pro Tag arbeiten kann.

Wer also beispielsweise noch mindestens sechs Stunden täglich als Pförtner arbeiten kann – auch wenn er bisher Zimmermann war – hat keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.

Die volle Erwerbsminderungsrente

Die volle Erwerbsminderungsrente wird dann gezahlt, wenn man aus ärztlicher Sicht keine drei Stunden mehr am Tag – egal in welcher Tätigkeit – arbeiten kann.

Die teilweise Erwerbsminderungsrente

Wer nach Einschätzung der Ärzte noch mindestens drei Stunden täglich, aber keine sechs Stunden pro Tag mehr arbeiten kann, kann die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhalten. Diese ist exakt halb so hoch wie die volle Erwerbsminderungsrente.

Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Neben dem gesundheitlichen Zustand entscheiden auch die Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung darüber, ob eine Erwerbsminderungsrente gezahlt werden kann. Konkret sind zwei versicherungsrechtliche Voraussetzungen zu erfüllen:

1. Die allgemeine Wartezeit

Unter dem Begriff der allgemeinen Wartezeit verbirgt sich eine fünfjährige Mindestversicherungszeit.

Um eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten, muss man also spätestens bis zum Unfalltag fünf Jahre lang oder länger Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben.

Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen Arbeitnehmer, bestimmte Gruppen von Selbstständigen, Personen, die in den ersten drei Lebensjahren ihre Kinder erziehen und auch diejenigen, die Krankengeld oder Arbeitslosengeld I erhalten.

Während Schul- und Studienzeiten liegt jedoch – genauso wie beim Bezug von Arbeitslosengeld II – keine Beitragszeit vor.

Weitere Informationen zur allgemeinen Wartezeit sind im Beitrag zur Regelaltersrente zu finden.

2. In den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen

Lediglich fünf Jahre Beitragszahlung zur Rentenversicherung – also die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit – sind nicht ausreichend, um im Falle der Erwerbsminderung dauerhaft über die gesetzliche Rentenversicherung abgesichert zu sein.

Darüber hinaus wird auch verlangt, dass man in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre lang – also 36 Monate – Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hat.

Beispiel:

Timo hat am 11. September 2019 einen schweren Fahrradunfall und kann infolgedessen keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen. Um eine volle Erwerbsminderungsrente zu erhalten, muss er zwischen dem 11. September 2014 und dem 10. September 2019 mindestens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen aufweisen.

Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit

Was ist der Unterschied zwischen einem Beitrag, der bei der allgemeinen Wartezeit mitzählt, und einem Pflichtbeitrag?

Der Großteil der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind Pflichtbeiträge. Wer aufgrund seiner Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld I Rentenversicherungsbeiträge zahlt, zahlt Pflichtbeiträge.

Eine Ausnahme stellen freiwillige Beiträge dar. Durch die Zahlung von freiwilligen Beiträge ist zwar die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit möglich, bei den 36 Monaten in den letzten fünf Jahren werden sie jedoch nicht berücksichtigt.

Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraums

Kann ein Versicherter im Fünf-Jahres-Zeitraum keine oder nicht ausreichend Pflichtbeiträge aufweisen, heißt das nicht zwingend, dass er keine Erwerbsminderungsrente erhalten kann. Der Fünf-Jahres-Zeitraum verlängert sich nämlich um alle Anrechnungszeiten, die im Fünf-Jahres-Zeitraum liegen. Genaueres zu Anrechnungszeiten findet ihr hier.

Klassische Anrechnungszeiten sind unter anderem solche aufgrund eines Schul- oder Studienbesuchs oder wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II.

Beispiel:

Martin hat im maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum (1.1.2014 – 31.12.2019) fünf Jahre studiert und daher in seinem Versicherungsverlauf eine Anrechnungszeit.

Der Fünf-Jahres-Zeitraum erweitert sich nun um fünf Jahre. Martin kann die versicherungsrechtliche Voraussetzung also auch dann erfüllen, wenn er im Zeitraum vom 1.1.2009 – 31.12.2019 über mindestens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen verfügt. 

Keine fünf Beitragsjahre, keine Absicherung? Gilt das auch für Schüler, Auszubildende und Studenten?

Die wenigsten Schüler, Auszubildenden oder Studenten werden bereits zu Beginn ihres Berufslebens fünf Jahre mit Rentenversicherungsbeiträgen aufweisen und damit die beiden oben aufgeführten Voraussetzungen erfüllen.

Heißt das, das Schüler, Auszubildende und Studenten keine Erwerbsminderungsrente erhalten können?

Die Antwort: Es kommt drauf an!

Denn das Rentenrecht sieht in bestimmten Fällen erleichterte Voraussetzungen vor, von denen gerade Schüler, Auszubildende und Studenten profitieren können.

Bei Arbeitsunfall: Absicherung ab dem ersten Ausbildungstag

Führt ein Arbeitsunfall dazu, dass teilweise oder volle Erwerbsminderung eintritt, ist die Erfüllung der beiden oben beschriebenen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erforderlich. Einzige Bedingung ist, um unter diese Ausnahme zu fallen, dass ihr zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls versicherungspflichtig wart.

Da Auszubildende, die während ihrer Ausbildung eine Ausbildungsvergütung erhalten, immer versicherungspflichtig sind, sind sie somit auch ab dem ersten Tag ihrer Ausbildung abgesichert, sofern sie durch einen Arbeitsunfall erwerbsgemindert werden sollten.

Schüler und Studenten profitieren von dieser Regelung hingegen nur dann, wenn sie neben ihrer schulischen oder universitären Ausbildung einer Beschäftigung nachgehen und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen. Ist dies der Fall, können auch sie ohne tatsächliche Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine Erwerbsminderungsrente erhalten, sofern sie einen Arbeitsunfall haben.

Wer neben Schule oder Studium einer geringfügigen Beschäftigung – Verdienst bis 450 € pro Monat – nachgeht, sollte aus diesem Grund (und aus anderen Gründen) sich gut überlegen, ob er sich von der Versicherungspflicht befreien lässt. Wer von der Versicherungspflicht befreit ist, ist nämlich nicht versicherungspflichtig und kann damit im Falle eines Arbeitsunfalls auch keine Erwerbsminderungsrente erhalten.

Schüler, Auszubildende und Studenten benötigen nur ein Jahr mit Pflichtbeiträgen

Durch die Sonderregelung für den Fall eines Arbeitsunfalls können auch Auszubildende eine Erwerbsminderungsrente erhalten, die die hierfür erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eigentlich nicht erfüllen.

Das ist gut! Jedoch ist nicht jeder Unfall gleich ein Arbeitsunfall und auch schwere Erkrankungen können zur Erwerbsminderung führen. Wie gestaltet sich die Absicherung in diesen Fällen?

Für alle Personen, die sich in irgendeiner Form der Ausbildung (wöchentlicher Zeitaufwand mindestens 20 Stunden) befinden – egal ob schulisch, beruflich oder universitär – oder in letzter Zeit irgendeine Art von Ausbildung beendet haben, gibt es eine vereinfachte Voraussetzung.

In den letzten zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens ein Jahr mit Pflichtbeiträgen

Wer sich noch in Ausbildung befindet und erwerbsgemindert wird oder wer bereits eine Ausbildung beendet hat und innerhalb von sechs Jahren nach Beendigung der Ausbildung aus gesundheitlichen Gründen keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann, muss die beiden oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht zwingend erfüllen.

Es genügt, wenn derjenige in den letzten zwei Jahren vor dem Unfall, der zur Erwerbsminderung geführt hat, mindestens ein Jahr lang Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hat.

Beispiel:

– Tim verunfallt am 18. März 2019 und ist infolgedessen erwerbsgemindert.

– Tim hat am 14. August 2016 sein Studium der Betriebswirtschaft ohne Abschluss beendet.

– Der Unfall liegt innerhalb des Sechs-Jahres-Zeitraums nach Beendigung einer Ausbildung (15. August 2016 – 14 August 2022).

– Um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu erhalten, muss Tim in den zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung lediglich ein Jahr lang Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben.

– Zwei-Jahres-Zeitraum: 18. März 2017 – 17. März 2019

– Tim hat vom 1. August 2017 bis zum 31. Juli 2018 einen 450-Euro-Job ausgeübt und nicht auf die Versicherungspflicht verzichtet. Er hat also ein Jahr lang Pflichtbeiträge gezahlt und erfüllt damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Erwerbsminderungsrente.

Verlängerung des Zwei-Jahres-Zeitraums

Ähnlich wie beim Fünf-Jahres-Zeitraum gibt es auch für den Zwei-Jahres-Zeitraum eine Regelung, dass dieser gegebenenfalls verlängert wird.

Hat ein Versicherter im Zwei-Jahres-Zeitraum eine Schule oder Universität besucht und war zu diesem Zeitpunkt mindestens 17 Jahre alt, verlängert sich der Zwei-Jahres-Zeitraum um die Monate der schulischen oder universitären Ausbildung.

Maximal kann der Zwei-Jahres-Zeitraum um 7 Jahre verlängert werden.

Beispiel:

– Tim aus dem obigen Beispiel ist vom 1. August 2017 bis zum 31. Juli 2018 keiner geringfügigen Beschäftigung nachgegangen, sondern hat eine Fachschule für Gestaltung besucht.

– Der Zwei-Jahres-Zeitraum verlängert sich um 12 Kalendermonate

– Neuer Zeitraum, in dem ein Jahr lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sein müssen: 1. März 2016 – 17. März 2019)

Nur bei voller Erwerbsminderung

Bei der Spezialregelung „Ein Jahr mit Pflichtbeiträgen in den letzten zwei Jahren“ gibt es eine Einschränkung:

Diese Spezialregelung gilt nur im Falle der vollen Erwerbsminderung.

Die Regelung „Ein Jahr mit Pflichtbeiträgen in den letzten zwei Jahren“ findet keine Anwendung, wenn ihr nur teilweise erwerbsgemindert seid – also zwar keine sechs Stunden am Tag, aber zumindest noch drei Stunden täglich arbeiten könnt – und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt.

(Seid ihr teilweise erwerbsgemindert und erfüllt die allgemeine Wartezeit, jedoch nicht die Voraussetzung „In den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen“, ist es aber wiederum möglich, die Voraussetzung “Drei Jahre mit Pflichtbeiträgen in den letzten fünf Jahren” – innerhalb von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung – durch „In den letzten zwei Jahren mindestens ein Jahr mit Pflichtbeiträgen“ zu ersetzen. Kompliziert…)

Zusammenfassung

Zunächst ist festzustellen, dass aufgrund der strengen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht alle Schüler, Auszubildenden und Studenten über die gesetzliche Rentenversicherung im Falle der Erwerbsminderung abgesichert sind.

Aber: Aufgrund von Sonderregelungen können auch Schüler, Auszubildende und Studenten abgesichert sein, wenn sie entweder aufgrund eines Arbeitsunfalls erwerbsgemindert werden sollten oder mindestens zwölf Monate lang Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben.

Gerade die Voraussetzung „Ein Jahr mit Pflichtbeiträgen in den letzten zwei Jahren“ können Schüler und Studenten leicht erfüllen, wenn sie einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen und Beiträge zur Rentenversicherung zahlen.

Bei Auszubildenden ist es sogar noch einfacher: Da sie aufgrund ihrer Ausbildung eh Pflichtbeiträge zahlen, sind sie nach dem ersten Ausbildungsjahr aufgrund dieser Sonderregelung gegen den Erwerbsminderungsfall abgesichert.

In welcher Höhe wird eine Erwerbsminderungsrente an Schüler, Auszubildende und Studenten gezahlt?

Ob eine Erwerbsminderungsrente gezahlt werden kann, ist die eine Frage.

Ähnlich oder vielleicht sogar noch interessanter ist, in welcher Höhe eine Erwerbsminderungsrente an Schüler, Auszubildende und Studenten gezahlt würde, wenn diese in jungen Jahren bereits erwerbsgemindert werden sollten.

Eine exakte Antwort auf diese Frage lässt sich leider nicht geben. Dafür hängt die Rentenberechnung zu stark vom individuellen Versicherungsverlauf ab. Und auch das Alter bei Eintritt der Erwerbsminderung ist nicht ganz unerheblich.

Anhand von einigen Beispielen lässt sich jedoch ein Gefühl dafür entwickeln, in welche Richtung es gehen könnte:

Beispiel 1:

Johanna hat nach ihrem Realschulabschluss kurz vor ihrem 18. Geburtstag eine Ausbildung zur Köchin begonnen. Gegen Ende der Ausbildung erkrankt sie so schwer, dass sie keinerlei Beschäftigung mehr nachgehen kann. Insgesamt hat sie 2 Jahre und 10 Monate lang Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Zusätzliche Rentenpunkte werden im Rahmen der sogenannten Zurechnungszeit ab Eintritt der Erwerbsminderung bis zum 65. Lebensjahr und 8 Monate ermittelt. Im Falle von Johanna für genau 45 Jahre.

Aufgrund der Höherbewertung von Zeiten der beruflichen Ausbildung erhält Johanna für die 2 Jahre und 10 Monate der Berufsausbildung insgesamt 2,125 Rentenpunkte.

Als Durchschnittswert für die Bewertung der Zurechnungszeit ergibt sich bei Johanna ein monatlicher Wert von 0,0833 Entgeltpunkten. Aus den 45 Jahren Zurechnungszeit werden somit 44,982 Rentenpunkte.

Johannas Brutto-Erwerbsminderungsrente ergibt sich, wenn die Gesamtzahl ihrer Entgeltpunkte noch um 10,8 % reduziert wird – der Rentenabschlag liegt bei einer Erwerbsminderungsrente nahezu immer 10,8 % – und im Anschluss mit dem aktuellen Rentenwert West des Jahres 2019 (33,05 €) multipliziert werden:

Brutto-Erwerbsminderungsrente: ca. 1.400 €

Nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen läge die Rentenhöhe bei ca. 1.245 €.

Beispiel 2:

Anders als in Beispiel 1 hat Johanna keine berufliche Ausbildung zur Köchin absolviert, sondern eine Fachschule für Ernährung besucht. Währenddessen hat sie 2 Jahre und 10 Monate geringfügig in einem Imbiss gearbeitet und Beiträge an die Rentenversicherung gezahlt.

Genauso wie bei der Berufsausbildung erfolgt auch beim Besuch der Fachschule eine Höherbewertung der Entgeltpunkte. Im Ergebnis ist die Rente daher in diesem Fall genauso hoch wie in Beispiel 1.

Beispiel 3:

Beispiel 3 ist nahezu identisch wie Beispiel 2. Der Unterschied ist, dass Johanna nach ihrem Realschulabschluss keine Fachschule für Ernährung besucht hat, sondern ein Wirtschaftsgymnasium.

Anders als bei einer beruflichen Ausbildung sowie dem Besuch einer Fachschule erfolgt bei „normalen“ Schul- und Studienzeiten keine Höherbewertung.

Für die 2 Jahre und 10 Monate erhält Johanna daher nur die Rentenpunkte, die sie mit ihrer geringfügigen Beschäftigung tatsächlich erworben hat. Statt 2,125 Rentenpunkten wären dies nur ca. 0,4 Rentenpunkte.

Ein Unterschied bei der Bewertung der Zurechnungszeit ergibt sich nicht.

Johannas Brutto-Erwerbsminderungsrente läge infolgedessen ca. 55 € geringer als in Beispiel 1 und 2.

Beispiel 4:

Anders als in Beispiel 3 hat Johanna kein Wirtschaftsgymnasium besucht, sondern für 2 Jahre und 10 Monate Ernährung an einer Universität studiert und daneben geringfügig gearbeitet. Bevor sie ihr Studium begonnen hat, war sie ein Jahr in Australien und hat in dieser Zeit keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt.

Durch die geringfügige Beschäftigung hat Johanna bisher 0,4 Rentenpunkte gesammelt.

Für die Bewertung der Zurechnungszeit ergibt sich – das Jahr in Australien wirkt sich hier negativ aus – nur noch ein Durchschnittswert in Höhe von 0,0616 Rentenpunkte pro Monat (0,0833 Entgeltpunkte x 34 Monate / 46 Monate). Multipliziert mit 44 Jahren Zurechnungszeit kommt man dann auf 32,5248 Entgeltpunkte für Johannas Zurechnungszeit.

Die Brutto-Erwerbsminderungsrente liegt somit in Beispiel 4 nur noch bei 970 € (32,9248 Entgeltpunkt x 0,892 x 33,05 €).

Entscheidend ist der Versicherungsverlauf!

Wie anhand der vier Beispiele deutlich wird, ist gerade die Berechnung der Erwerbsminderungsrente aufgrund der Zurechnungszeit äußerst komplex.

Entscheidungen, denen man als Laie keine große Bedeutung zumessen würde – zum Beispiel das Jahr in Australien – können deutliche Auswirkungen haben.

Dies liegt insbesondere daran, dass bei der Zurechnungszeit die Rentenpunkte zugrunde gelegt werden, die man während seines Erwerbslebens im Durchschnitt gesammelt hat. Tritt die Erwerbsminderung bereits kurzzeitig nach Eintritt in das Erwerbsleben ein, wirken sich die wenigen Monate, in denen man gearbeitet oder auch nicht gearbeitet hat, natürlich stark auf den Durchschnittswert aus.

Kann ich hingegen mit Mitte 50 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten, ist das Jahr in Australien für die Höhe meiner Erwerbsminderungsrente quasi zu vernachlässigen. Denn einerseits reduziert sich der Zeitraum der Zurechnungszeit, die mit dem Durchschnittswert bewertet wird, auf nur noch 10 Jahre – und nicht mehr 45 Jahre – und andererseits ist das Jahr Australien nur noch eines unter ganz vielen. Es hat damit einen deutlich geringeren Einfluss auf den Gesamtdurchschnitt.

Was kann die gesetzliche Rentenversicherung leisten und was nicht?

Dieser Beitrag hat hoffentlich einige Antworten auf die Frage geliefert, ob und wie insbesondere junge Menschen in schulischer, beruflicher oder universitärer Ausbildung durch die gesetzliche Rentenversicherung im Falle der Erwerbsminderung abgesichert sind.

Auch, was die gesetzliche Rentenversicherung nicht leisten kann, dürfte am Rande bereits angeklungen sein. Insbesondere die folgenden Punkte sind diesbezüglich bei der Vorsorgeplanung zu berücksichtigen:

1. Mindestvoraussetzung: Ein Jahr mit Pflichtbeiträgen

Eine Absicherung im Falle der Erwerbsminderung – vom Arbeitsunfall abgesehen – besteht nur, wenn in den zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens ein Jahr lang Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden.

Aufgrund dieser Regelung ist man beispielsweise im ersten Jahr seiner Berufsausbildung nur im Falle eines Arbeitsunfalls abgesichert.

2. Kein Schutz vor Berufsunfähigkeit

Die gesetzliche Rentenversicherung schützt nicht vor Berufsunfähigkeit.

Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen einer Erwerbsminderung und einer Berufsunfähigkeit.

Von Berufsunfähigkeit spricht man dann, wenn man in seiner letzten Tätigkeit – zum Beispiel als Mechatroniker – nicht mehr arbeiten kann.

Der Rentenversicherung ist die letzte Tätigkeit hingegen egal. Für sie zählt nur, ob man in irgendeiner Tätigkeit weiterhin in Voll- oder zumindest in Teilzeit arbeiten kann.

Das heißt: Ist man aus gesundheitlichen Gründen gezwungen, seinen Beruf zu wechseln und verringert sich hierdurch das Einkommen, ist eine Absicherung durch die Rentenversicherung nicht vorgesehen.

Eine Absicherung gegen Berufsunfähigkeit bieten nur private Versicherungsunternehmen.

3. Erwerbsminderungsrente eher Basisabsicherung

Wie hoch die Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung ausfällt, ist von vielen Faktoren abhängig. Ganz allgemein ist jedoch festzustellen, dass die Erwerbsminderungsrente – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – finanziell keine größeren Sprünge ermöglicht.

Will man auch im Falle der Erwerbsminderung finanziell gut oder sehr gut abgesichert sein, führt eigentlich kein Weg an einer zusätzlichen privaten Versicherung vorbei.

Absicherung gegen Berufsunfähigkeit – Gerade für junge Menschen von Bedeutung!

Den meisten Versicherungen stehe ich eher skeptisch gegenüber:

Aus meiner Sicht muss ich mich nur gegen das versichern, was mich finanziell tatsächlich ruinieren könnte – und der Displayschaden bei meinem Smartphone fällt nicht in diese Kategorie.

In Bezug auf die Berufsunfähigkeit sehe ich die Sachlage jedoch etwas anders:

Insbesondere in jungen Jahren ist die eigene Erwerbstätigkeit die Hauptquelle für monatliches Einkommen. Sollte ich meine Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit verlieren, würde ich hierdurch auch einen Großteil an Einkommen einbüßen, das ich ohne Krankheit oder Unfall in Zukunft noch erzielt hätte – ein Risiko mit deutlichen finanziellen Auswirkungen!

Die gesetzliche Rentenversicherung (und letztlich auch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) bieten für diesen Fall zwar eine Mindestabsicherung, ob man diese als ausreichend einschätzt, muss jedoch jeder für sich individuell beurteilen.

Wer sich in jungen Jahren für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung entscheidet (und diese auch bezahlen kann…), hat hierdurch mehrere Vorteile:

Vorteile beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung in jungen Jahren:

1. Der Versicherungsbeitrag ist meist – über das gesamte Erwerbsleben hinweg – geringer als bei einem späteren Abschluss.

2. In jungen Jahren liegen meist weniger gesundheitliche Einschränkungen vor. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Versicherungsunternehmen den Vertragsabschluss ablehnt.

3. Auch, wenn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Erwerbsminderungsrente durch die gesetzliche Rentenversicherung noch nicht erfüllt sind, ist man bereits abgesichert.


Wie sichert ihr euch gegen eine etwaige Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit ab? Ist die Absicherung durch die gesetzlichen Sicherungssysteme aus eurer Sicht ausreichend?

Schreibt gerne einen Kommentar!

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Anna

    Hallo,
    Ich bin 22, habe Anfang 2019 einen Minijob gemacht und habe dann vom 01.08.2019-14.07.2020 eine Ausbildung gemacht und die aufgrund psychischer Krankheiten abgebrochen und bin ins Krankengeld gegangen. Nun habe ich zum 08.11.2021 einen Antrag auf EM Rente gestellt und diesen Monat eine Ablehnung bekommen. Wiederspruch einlegen muss ich sowieso, da das medizinische Gutachten für mich negativ ausgefallen ist und ich diesem mit Sicherheit nicht zustimmen, zudem brauche ich eine Bestätigung der Erwerbsminderung von der DRV um wenigstens Sozialleistungen zu beziehen. Aber rein von den Beitragszeiten, habe ich bei dem Wiederspruch irgendeine Chance?

    1. Rentenfuchs

      Hallo Anna,

      es ist zumindest nicht auszuschließen, dass du mit den von dir zurückgelegten Versicherungszeiten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Erwerbsminderungsrente erfüllst. Nah § 53 Absatz 2 SGB VI ist die Wartezeit vorzeitig erfüllt, wenn eine Person vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung – hier reicht es auch, wenn die Erwerbsminderung während der Ausbildung eintritt – voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben ist und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt hat. Auf das Jahr (12 Monate) müsstest du ja genau kommen.

  2. Franzi

    Hallo und Danke für die informativen Texte und auch das Lesenkönnen Ihrer M.A.-Arbeit. In einem konkreten Fall, der Bezug zu Ihren Ausführungen oben hat, bitte ich um Auskunft. Nach einem Fachhochschulabschluss B.A. im Frühjahr 2016, Arbeitsaufnahme mit Unterbrechung – auch Krankengeld und Alg1 und Alg2. In den letzten zwei Jahren Krankengeld und LTA-Maßnahme, die jetzt wegen Krankheit abgebrochen werden soll. Schwerbehinderungsnachweis liegt vor. Es soll auf Anraten ein Rentenantrag gestellt werden. Die Aussagen, ob bei zeitnaher Antragstellung nach den Informationen der drv-webseiten und den in Ihrem obigen Beitrag verfahren wird, sind unterschiedlich auch widersprüchlich. Nachdem ich einiges auf den drv-Seiten und anderswo dazu gelesen habe, bin ich davon ausgegangen, dass es einen Zeitraum von 6 oder auch 7 Jahren gibt, in dem nach einem Studienabschluss der Rentenantrag gestellt werden muss, um diese “Sonderform” einer vollen Erwerbsminderungsrente zu bekommen. Fragen stellen sich auch folgende: hat in einem solchen Fall auch das Alter Auswirkungen, wenn durch Krankheit verzögert studiert wurde? Hat eine abgebrochene LTA Auswirkungen? Gilt der Tag der Antragstellung auf LTA oder das “neue” Datum für Antrag auf EM-Rente? Vielleicht sind meine Fragen auch für andere Leser interessant.
    Mit freundlichen Grüßen und Dank im Voraus, Franzi

    1. Rentenfuchs

      Hallo Franzi,
      relevant ist nicht der Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente gestellt wird, sondern der Zeitpunkt, ab dem die Erwerbsminderung vorliegt, man also nicht mehr in der Lage ist, zumindest 6 Stunden am Tag auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Unabhängig davon, wann der Rentenantrag gestellt wurde, müssen zu diesem Zeitpunkt die im Beitrag beschriebenen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Und hier können (ehemalige) Schüler, Studenten und Auszubildende von der Sondervorschrift profitieren, dass Sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei voller Erwerbsminderung – tägliches Leistungsvermögen unter drei Stunden – auch dann erfüllen, wenn innerhalb der letzten zwei Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung zumindest ein Jahr lang Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden (solange ihr Abschluss nicht länger als 6 Jahre zurückliegt). Da auch während des Bezugs von Krankengeld und Arbeitslosengeld I Beiträge an die Rentenversicherung gezahlt werden, könnte das bei dir gar nicht so schlecht aussehen. Drücke auf jeden Fall die Daumen!

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