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Freibetrag in der Grundsicherung wird auf gesetzliche Rente ausgeweitet – jedoch mit einer Einschränkung

Das Thema Grundrente ist zurzeit in aller Munde. Durch den Kabinettsbeschluss vom 19. Februar 2020 wurde eine wichtige Hürde genommen, damit die Grundrente im Jahr 2021 tatsächlich kommen kann. Der Kern des Gesetzesentwurfs ist sicher die Anhebung der gesetzlichen Rente für Personen mit geringem Arbeitsentgelt, die über mindestens 33 Grundrentenjahre verfügen. Doch was viele nicht wissen: Im Gesetzesentwurf zur Grundrente steckt noch mehr drin – nämlich unter anderem auch ein Freibetrag für die gesetzliche Rente in der Grundsicherung.

Schon jetzt gibt es einen Freibetrag in der Grundsicherung für zusätzliche Altersvorsorge, der es ermöglicht, dass Zahlungen aus privater Vorsorge in Höhe von bis zu 216 € monatlich (Stand: 2020; 50 % der Regelbedarfsstufe 1) nicht auf Grundsicherungsleistungen angerechnet werden. Wer also zusätzlich vorsorgen konnte, kann bereits heute neben der Grundsicherung jährlich mehr als 2.500 € anrechnungsfrei erhalten.

Doch ganz fair fühlt sich diese Regelung nicht an: Der Arbeitnehmer, der Jahr für Jahr verpflichtend in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, soll im Grundsicherungsfall keinerlei Vorteile durch seine Beitragszahlung haben, der Selbstständige, der vielleicht nicht zur Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtet ist und stattdessen Geld in eine Rürup-Versicherung einzahlt, hingegen schon?

Mit dem Gesetz zur Grundrente hat der Gesetzgeber sich nun entschlossen, auch für Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen Freibetrag einzuführen und hiermit die gefühlte Gerechtigkeitslücke – zumindest zum Teil – zu schließen:

Ausweitung des Freibetrags auch auf die gesetzliche Rente

Die Berechnung des neuen Freibetrags für Rentenzahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung soll in gleicher Form erfolgen, wie es bereits bei der zusätzlichen Altersvorsorge der Fall ist:

1. Brutto-Rentenzahlungen in Höhe von monatlich 100 € aus der gesetzlichen Rentenversicherung sollen zukünftig nicht mehr auf die Grundsicherung angerechnet werden.

2. Übersteigt die Monatsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung 100 €, sollen 30 % der darüberhinausgehenden Beträge nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden.

3. Maximal sollen 50 % der Regelbedarfsstufe 1 (2020: 216 €) in der Grundsicherung unberücksichtigt bleiben.

Beispiel:

Schauen wir uns diese doch eher abstrakte Regelung anhand zweier Beispiele genauer an:

Beispiel 1:

Uwe erhält eine Brutto-Rente in Höhe von 300 €. Da er daneben über keinerlei Einkünfte verfügt, ist er auf ergänzende Grundsicherungsleistungen angewiesen.

Uwe würde in folgender Höhe vom neuen Freibetrag profitieren:

1. 100 € von Uwes Rente werden nicht auf die Grundsicherung angerechnet.

2. Von den verbleibenden 200 € bleiben 30 % anrechnungsfrei – also 60 €.

3. Die Hälfte der Regelbedarfsstufe 1 wird mit 160 € nicht überschritten.

Nach dem Gesetzesentwurf zur Grundrente würde also 160 € im Monat nicht mehr auf Uwes Grundsicherungsleistungen angerechnet.

Beispiel 2:

Da Julia über lediglich 600 € gesetzlicher Rente im Monat verfügt, ist sie zusätzlich auf staatliche Unterstützung angewiesen. Sie fragt sich nun, in welchem Umfang ihr der neue Freibetrag Vorteile bringen würde:

1. 100 € von Julias Rente werden nicht auf die Grundsicherung angerechnet.

2. Von den verbleibenden 500 € bleiben grundsätzlich 30 % anrechnungsfrei – also 150 €.

3. Der Freibetrag wird auf 50 % der Regelbedarfsstufe 1 begrenzt. Diese Grenze liegt im Jahr 2020 bei 216 €. Von Julias 600 € Rente werden also 216 € bei der Grundsicherung nicht berücksichtigt.

Aber Achtung: Es gibt eine ganz wichtige Einschränkung!

Beim Freibetrag für zusätzliche Altersvorsorge ist es relativ einfach:

Wer zusätzlich für das Alter vorgesorgt hat und auf Grundsicherungsleistungen angewiesen ist, profitiert ohne weitere Voraussetzungen.

Für den nun geplanten Rentenfreibetrag in der Grundsicherung soll dies jedoch nicht gelten. Vorgesehen ist, dass nur Personen, die auf mindestens 33 Grundrentenjahre kommen, den Freibetrag in Anspruch nehmen dürfen. Bei allen anderen soll die Rente weiterhin in voller Höhe auf die Grundsicherung angerechnet werden.

Wie komme ich auf 33 Grundrentenjahre?

Das wirft die nächste Frage auf: Welche Zeiten zählen denn überhaupt als Grundrentenzeiten?

An erster Stelle stehen natürlich die klassischen Pflichtbeitragszeiten:

Wer als Arbeitnehmer oder Selbstständiger zur Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen verpflichtet ist, erwirbt hierdurch Grundrentenzeiten. Auch Personen, die im europäischen Ausland oder in anderen Staaten arbeiten, mit denen Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, und dort Beiträge zur ausländischen Rentenversicherung entrichten, können hierdurch grundsätzlich Grundrentenzeiten erwerben; hier muss man jedoch den Einzelfall betrachten.  

Ebenfalls als Grundrentenzeiten werden Zeiten anerkannt, in denen die Pflegeversicherung für eine nicht erwerbsmäßige Pflege Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abführt, sowie Zeiten des Bezugs von Krankengeld.

Wer Kinder erzieht, sammelt auch hierdurch mehrere Grundrentenjahre: Denn bis zum 10. Lebensjahr eines Kindes erhält derjenige Elternteil, der das Kind überwiegend erzieht, eine sogenannte Berücksichtigungszeit. Und auch Berücksichtigungszeiten stellen Grundrentenzeiten dar.

Welche Zeiten werden nicht mitgezählt?

Interessant ist natürlich der Blick in die andere Richtung: Welche Zeiten hat der Gesetzgeber bei der Grundrente bewusst ausgeklammert?

1. Zeiten der Arbeitslosigkeit

Egal ob Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II – für die Grundrente und somit auch für den neuen Freibetrag in der Grundsicherung spielen diese Zeiten keine Rolle.

2. Freiwillige Beiträge

E ist nicht möglich, sich den Anspruch auf Grundrente beziehungsweise den Anspruch auf den Rentenfreibetrag in der Grundsicherung mithilfe von freiwilligen Beiträgen zu erkaufen. Denn freiwillige Beiträge sind keine Grundrentenzeiten.

3. Anrechnungszeiten

Anrechnungszeiten erhalten unter anderem Personen für Schul- und Studienzeiten sowie Frauen während der gesetzlichen Schwangerschafts- und Mutterschutzfristen. Für die Grundrente spielen diese Zeiten jedoch keine Rolle.

Rentenfreibetrag in der Grundsicherung gibt es nur für einen Teil der Grundsicherungsbezieher

Überlegt man nun einmal, wer im Alter tatsächlich auf Grundsicherungsleistungen angewiesen ist, sind dies häufig Personen, die während ihres Erwerbslebens längere Zeit arbeitslos waren, schlecht bezahlten selbstständigen Tätigkeiten ohne Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung nachgegangen sind oder erst im fortgeschrittenen Alter nach Deutschland kamen.

Aufgrund der Voraussetzung: „Mindestens 33 Grundrentenjahre“ werden all diese Personen voraussichtlich nicht in den Genuss des neuen Rentenfreibetrags kommen.

Freibetrag für zusätzliche Altersvorsorge und Freibetrag für Rentenzahlungen – Kann man beide Freibeträge nutzen?

Schauen wir uns nun noch eine Person an, die über mindestens 33 Jahre mit Grundrentenzeiten verfügt und zudem zusätzlich für das Alter vorgesorgt hat, zum Beispiel mit einer Riester-Rente. Kann diese Person dann sowohl vom Freibetrag für zusätzliche Altersvorsorge als auch vom Freibetrag für Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung profitieren?

Ja, kann sie. Denn der eine Freibetrag wird nicht auf den anderen angerechnet. So ist es theoretisch möglich, neben dem Bezug von Grundsicherungsleistungen bis zu 432 € gesetzlicher Rente plus zusätzlicher Vorsorge zu erhalten, ohne dass dieser Betrag auf die Grundsicherung angerechnet wird.

Beispiel:

Martin erhält eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 400 € sowie 400 € aus einer Rürup-Rente, in die er während einer selbstständigen Tätigkeit eingezahlt hat. Zusätzlich hat er Anspruch auf Grundsicherungsleistungen.

Die Rürup-Rente zählt als zusätzliche Altersvorsorge, sodass Martin vom Freibetrag für zusätzliche Altersvorsorge profitieren kann. Von den 400 € werden nach den gesetzlichen Vorgaben 190 € nicht auf Martins Grundsicherungsleistungen angerechnet.

Da er überdies auch 33 Grundrentenjahre vorweisen kann, kommt er zusätzlich – sofern das Gesetz zur Grundrente in der jetzt vorliegenden Form verabschiedet wird – noch in den Genuss des Rentenfreibetrags. Auch von seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden dann 190 € nicht angerechnet.

Insgesamt bleiben somit 380 € anrechnungsfrei. Martin hat also dank beider Freibeträge jährlich ca. 4.500 € mehr in der Tasche.

Zusätzlich vorzusorgen lohnt sich also auch dann noch, wenn in der Grundsicherung der Freibetrag für Rentenzahlungen eingeführt wird.

Ab wann soll der neue Freibetrag für Rentenzahlungen gelten?

Zum Abschluss noch das entscheidende Datum:

Laut Gesetzesentwurf soll die Grundrente sowie der Rentenfreibetrag in der Grundsicherung zum 1. Januar 2021 eingeführt werden. Da das Gesetz jedoch noch nicht durch den Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, bleibt abzuwarten, ob das Gesetz tatsächlich in der jetzigen Form beschlossen wird oder ob es noch zu Änderungen – zum Beispiel beim Inkrafttreten – kommt.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. N. H.

    Und alle, die aus gesundheitlichen Gründen eine Erwerbsminderungsrente beziehen werden sogar doppelt benachteiligt! 1. Durch die dauerhafte Kürzung der Rente und 2. dadurch, dass ihnen kein Freibetrag gebilligt wird, obwohl die Erwerbsminderungsrente in vielen Fällen so niedrig ist, dass mit Grundsicherung aufgestockt werden muss. Diese Menschen sind ärmer dran, als Minijobber, die mit ALG II aufstocken, deren Freibetrag minimum bei 100 € liegt! Bei der Grundsicherung liegt der Freibetrag bei 30 % vom Einkommen, um auf 100 € zu kommen, muss das Einkommen bei minimum 350 € liegen, womit einige unter Umständen jedoch aus der Grundsicherung herausfallen würden und wichtige Ermäßigungen verlieren könnten. (Rundfunkgebührenbefreiung, ermäßigte Fahrkarten, Eintrittsermäßigungen).

  2. Karl - Heinz Boje

    Grundrente mit 33 Beitragsjahren ab Januar 2021 ,
    oberflächlich betrachtet , wird hier ein nachträglicher Zuschlag auf Steuerzahler Kosten getätigt , für eine dilettantisch geführte Tarif – und Rentenbeitrags Politik im Niedriglohn Sektor der vergangenen Jahrzehnte.
    Ich gehöre zu den dummen die über 45 Jahre in das jetzt marode Renten- System eingezahlt haben , um jetzt links liegen gelassen zu werden.

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